Puls messen, Lunge untersuchen und sogar Medikamente verabreichen: Vier Schülerinnen aus Lünen haben eine Maschine entwickelt, um Menschen auf dem Land besser zu verarzten. Das brachte ihnen gleich zwei große Preise ein.

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Helin Yildirim (l.) und Samira Bergau: Zwei der vier Roboter-Entwicklerinnen von „Sisterbots“. (Foto: M. Nowroth / Orange by Handelsblatt)

Nerds? Wir? Helin und Samira schauen sich an, grinsen, müssen lachen. „Naja“, sagt Helin, „jetzt nicht mit Zahnspange, dicker Brille und fettigen Haaren. Aber klar, unsere Freunde halten uns manchmal für bekloppt. Weil wir freiwillig in die Schule gehen, sogar in den Ferien.“

„Sisterbots“ bauen Medizin-Roboter gegen den Ärztemangel

Der Grund für die Überstunden der beiden Schülerinnen steht direkt vor ihnen, auf einem Skelett aus grau-weißen Legosteinen, mit leuchtend roten Augen und einer röhrenartigen Nase. Sie nennen ihn MediBot.

Ein Roboter, der mit seinen Sensoren den Puls fühlen kann, die Lunge abhört und per Kamera einen menschlichen Arzt zuschaltet, um eine Diagnose zu erstellen und das richtige Medikament zu verschreiben – das der Roboter dann natürlich auch gleich selbstständig aus dem Regal fischt und übergibt.

Nichts weniger als eine automatische Arztpraxis ist das, was Helin und Samira zusammen mit ihren Schulkameradinnen Melanie und Jana gebastelt haben. Die vier Mädels besuchen die zehnte und die zwölfte Klasse der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen bei Dortmund. Dort arbeiten sie in der Roboter AG an Automaten und fahren zu Wettbewerben. „Wir nennen uns Sisterbots“, sagt Samira.

+++ Außerdem bei Orange: Warum wir alle Programmieren lernen sollten +++

Sie ist für das Programmieren der Maschinen zuständig und spricht im Gegensatz zu den meisten ihrer Altersgenossinnen nicht nur Englisch, sondern auch Python – eine Programmiersprache, mit der sie Befehle auf einen Roboter übertragen kann. Samira führte ihre Programmierkünste schon zu „Olympiaden“ nach Katar und Indien. Ihre Erfahrung gibt sie in Kursen an die jüngeren Schüler weiter.

Das große Ziel: „World Robot Olympiad“ 2017 in Costa Rica

Helin ist die Baumeisterin im Team und setzt die Maschine aus Lego zusammen. „Damit habe ich schon früher im Kindergarten gern gespielt“, sagt sie. Heute arbeitet sie mit „Lego Mindstorms“, dessen Steine sich programmieren und zusammen mit Elektromotoren und Sensoren zu Robotern bauen lassen – vorausgesetzt, frau bringt die nötige Geduld mit. „Manchmal hätte ich das Ding am liebsten vom Tisch gefegt“, sagt Helin.

Seit Februar hat das vierköpfige Team an dem MediBot gearbeitet. Das große Ziel der „Sisterbots“ war die Teilnahme an dem internationalen Roboterwettbewerb „World Robot Olympiad“. Dort treten Schülerteams aus 60 Ländern unter anderem in der Kategorie „Open Senior“ gegeneinander an.

Dieses Jahr sollten die Maschinen laut Ausschreibung einen „Beitrag zum besseren Leben leisten“ – etwa bei der Energieversorgung oder eben auf dem Land. Und da kommt der MediBot ins Spiel.

„Unser Roboter ist ein Rezept gegen den Ärztemangel“, sagt Samira. Eine Krankheit, die sich gerade in Deutschland ausbreitet und vor allem auf dem Land auftritt. Ende 2016 waren mehr als 2.700 Stellen für Hausärzte unbelegt, berichtet die „Kassenärztliche Bundesvereinigung“.

„Lego Mindstorms“ erweckt den Roboter zum Leben

Gleichzeitig ist jeder dritte Hausarzt in Deutschland älter als 60 und steht damit kurz vor der Rente. Damit droht in Zukunft ein noch größerer Mangel an Ärzten – gerade in dörflichen Gebieten, weil es junge Menschen eher in Großstädte zieht.

So fanden die „Sisterbots“ ihr Thema und bauten unter Anweisung der Betreuerinnen Birgit Straker und Claudia Stahlhut ein System, das Patienten vom Einscannen der elektronischen Gesundheitskarte bis zur Medikamentenvergabe betreut. Der echte Arzt bedient aus der Ferne den Roboter per PC und muss nicht mehr selbst in die Dörfer fahren, um kleinere Untersuchungen durchzuführen.

Am Anfang verbrachten die Mädchen anderthalb Stunden pro Woche mit dem Projekt, in der heißen Phase Ende Oktober waren sie dann sogar die meiste Zeit der Herbstferien in der Schule. „Ich war häufiger im Roboterraum als auf der Couch“, sagt Helin.

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Die Arbeit hat sich mehr als gelohnt. Erst gewannen die „Sisterbots“ den Deutschlandwettbewerb der „World Robot Olympiad“, dann fuhren sie zum Final nach Costa Rica – und gewannen die Silbermedaille.

„Health-i Award“ mit einem Sonderpreis für die Roboter AG „Sisterbots“ aus Lünen

Den ersten Platz machte ein Team aus Russland, Bronze holten Schüler aus Syrien. Der Chef des russischen Gewinnerteams war von dem deutschen Roboter so beeindruckt, dass er sich direkt mal untersuchen ließ.

„Wir sind sehr stolz, dass wir uns gegen Teams aus über 60 Ländern durchgesetzt haben“, sagt Helin zum Erfolg ihrer Roboter-AG.

Das Engagement der „Sisterbots“ überzeugte nicht nur die Juroren bei der Roboter-Olympiade, sondern auch die Jury des „Health-i Awards“. Diesen Preis vergeben das Handelsblatt und die Techniker Krankenkasse gemeinsam, um herausragende Zukunftsideen aus dem Bereich Gesundheit auszuzeichnen.

Eigentlich wären die Schülerinnen aus Lünen für keine der drei Kategorien – Junge Talente, Start-up uns Unternehmen – zugelassen. Eigentlich. Denn das Projekt „Sisterbots“ und ihre Idee des MediBot hat die Jury dazugebracht, einfach mal einen Sonderpreis auszuloben. Speziell für Samira Bergau, Jana Promesberger, Melanie Montag und Helin Yildirim.

Quellennachweis: https://orange.handelsblatt.com/artikel/36249

 
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