(Unsere Kirche) Pfarrer, die stundenweise an Schulen unterrichten, gibt es häufiger. Pfarrer, die als Seelsorger an einer Schule arbeiten, sind jedoch rar.

Thomas Grebe ist einer von ihnen - sogar ein richtiger Vollzeit-Schulseelsorger, der zwar auch 14 Stunden unterrichtet, aber den Rest seines Dienstes als Pfarrer an der Gschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen verrichtet.

Begonnen hat die Schulseelsorge an der Lüner Gesamtschule mit einem Modellprojekt mit Grebes Vorgänger Pfarrer Jochen Schulte. Die Erfahrungen waren so positiv, dass die Stelle zu einer Dauereinrichtung wurde.
Thomas Grebe war vorher neun Jahre Gemeindepfarrer in Bochum. Jetzt hat er also ein Schulseelsorger-Zimmer mitten in der Pausenhalle und ist Ansprechpartner für jeden, der klopft oder durch die offene Tür kommt. Dabei gibt es an der Gesamtschule auch noch die Schulsozialarbeit. „Das ist noch nicht ganz genau abgegrenzt, aber Seelsorge ist nochmal freiwilliger als die Sozialarbeit", erklärt der 49-Jährige. Und der Pfarrer hat Zeit, ist nicht so stark eingebunden in den Schulalltag. Zeit ist ein wichtiger Grund, weiß Grebe.

Manch ein Schüler verbringt die ein oder andere Pause mit dem Seelsorger. Dann wird manchmal auch abgecheckt, ob der Pfarrer vertrauenswürdig ist. Und es entwickeln sich Gespräche - über Gott und die Welt. „Auch Muslime sprechen mit mir über Glaubensfragen. Oder sie suchen Rät zu moralischen Fragen, wollen wissen, wie wir Christen das sehen."
Überhaupt stehen die meisten Muslime dem Seelsorger offen gegenüber. Acht der 13 Schüler, die evangelische Religion im Abi 2012 hatten, sind Muslime. „Die Eltern haben kein Problem damit", weiß Grebe und erzählt aus dem Unterrichts-Nähkästchen: „Muslime verstehen beispielsweise relativ schnell die Rechtfertigungslehre."

Die Themen, zu denen der Schulseelsorger aufgesucht wird, sind vielfältig: Probleme in der Patchworkfamilie, Clinch mit Klassenkameraden, Liebeskummer und vieles mehr. Manchmal wird Grebe auch von den Lehrern angesprochen, zum Beispiel als jemand im Deutschunterricht Selbstmordgedanken geäußert hatte. Dann heißt es: „Kummer dich bitte mal." Auch bei einem Todesfall wird Grebe automatisch eingeschaltet.

Für die Lehrer gilt das Angebot Grebes natürlich auch, doch die wenigsten Kollegen suchen das seelsorseelsorliche Gespräch. „Ich bin Teil des Schulgefüges. Da bräuchte es schon viel Not, um zu mir zu kommen", beurteilt er die Lage. Allerdings wird er von Lehrern durchaus gefragt, wie man in die Kirche eintritt. „Ich habe auch schon - mit Erlaubnis - Kollegen aufgenommen", erzählt er.

Ein fester Bestandteil seiner Aufgaben ist die Organisation der Schulgottesdienste. Für den Entlassjahrgang der 10. Klasse, den Abitur-Gottesdienst, zur Einschulung und den Weihnachtsgottesdienst. „Das ist der einzige, der nicht interkulturell ist. Ansonsten lesen wir in allen Gottesdiensten auch aus dem Koran - aber es kommen nicht so viele Muslime."

Schulleiter Heinrich Behrens schätzt Grebes Arbeit. Und er hält auch die „Kultur des Gottesdienstes für ganz wichtig". „Schüler suchen nach sakralen Bezügen. Und gerade die Entlass- oder Abi-Gottesdienste sind wie eine Initiation - das Abschließen eines Lebensabschnitts und die Begleitung in einen neuen."
An den Freitagen vor den Adventssonntagen lädt Thomas Grebe zur „Frühschicht im Advent" ein. Um 7.30 Uhr können sich die Schüler der 5. und 6. Klassen eine halbe Stunde lang mit Liedern, Geschichten und Bastelaktionen auf Weihnachten einstimmen. „Am Anfang kommen so zwischen 40 und 50 Schüler, am Ende sind es immerhin noch 20 bis 25", erzählt der Seelsorger.

Kurz vor Ferienbeginn ist Thomas Grebe mit einigen seiner Schüler im evangelischen Jugendzentrum in Lünen, der Stadtinsel - unterstützt von zwei freien Mitarbeiterinnen der Evangelischen Kirche von Westfalen. Auf dem Stundenplan stehen Besinnungstage für diejenigen, die nach der 10. Klasse in die gymnasiale Oberstufe wechseln wollen. „Die anderen, die nach der 10. die Schule beenden, sind schon entlassen, weil aber eine allgemeine Schulpflicht besteht, müssen die, die weitermachen, auch beschult werden."
Grebe nutzt die Zeit, um mit den Schülerinnen und Schülern Themen zu vertiefen wie beispielsweise Lebensplanung und Zukunftsvisionen. „Herr Grebe macht das schon gut", sagt ein Schüler. Interessant fanden die Schüler die Aktion, bei der jeder von ihnen einen Zettel auf den Rücken geklebt bekam. Dort notierten die Mitschüler, welchen Beruf sie sich für denjenigen vorstellen konnten. „Das war manchmal schon erstaunlich und hat Denkanstöße gegeben", meint eine Teilnehmerin.

Die Schulseelsorge hat an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule die Freiheit, sich einzubringen. Das schätzt Thomas Grebe sehr: „Ich treffe hier auf offene Ohren". So gibt es auf seine Initiative hin beispielsweise einen Sozialfonds, durch den Schüler unbürokratisch und schnell finanzielle Unterstützung für Klassenfahrten, Nachhilfe oder Sprachkursus bekommen.
Außerdem ist Grebe Mobbingbeauftragter und Mitglied. des „Notfallteams Schule", einer achtköpfigen Lehrergruppe, die sich um Notfälle aller Art in der Schule kümmert. „Wir machen Fortbildungen mit Notfallseelsorgern oder anderen Notfallteams. Es wird geklärt, wer wofür zuständig und erreichbar ist. Im Notfallkoffer befinden sich nicht nur unsere, sondern alle wichtigen Adressen von Polizei, Psychologe oder Arzt", erzählt er. „Niemand möchte sich einen Notfall an einer Schule vorstellen, doch man muss vorbereitet sein", sieht er die Aufgabe des Teams mit gemischten Gefühlen. Dass er qua Amt in diesem Kreis mitmacht, findet er richtig.
In den nächsten Tagen steht wieder ein Gottesdienst an, denn dann beginnt das neue Schuljahr. GESINE LÜBBERS

 

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